Fünf Personen unterschiedlicher sozialer Herkunft beschäftigen sich mit dem Thema Soziale Mobilität.

Die soziale Mobilität, also die Fähigkeit von Menschen, ihren sozioökonomischen Status zu verbessern, ist für Deutschland nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch ein entscheidender Faktor für das wirtschaftliche Wachstum. Eine aktuelle Studie der PageGroup zeigt, dass mangelnde Chancengleichheit die deutsche Wirtschaft jährlich 24,9 Milliarden Euro an Bruttoinlandsprodukt (BIP) kostet. Dies ist ein alarmierender Wert, der verdeutlicht, wie sehr das ungenutzte Potenzial von Fachkräften die Wirtschaftsleistung belastet.

Die Auswirkungen mangelnder Chancengleichheit

Die Studie der PageGroup, die in Zusammenarbeit mit dem Centre for Economic and Business Research (Cebr) durchgeführt wurde, hebt hervor, dass 292.000 Arbeitskräfte aufgrund sozialer Immobilität dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen. Deutschland liegt zwar im internationalen Vergleich der arbeitsbezogenen sozialen Mobilität im oberen Bereich, doch die wirtschaftlichen Verluste durch mangelnde Chancengleichheit sind erheblich. Das entgangene BIP übersteigt den gesamten Bildungsetat der Bundesregierung für das Jahr 2025. Das bedeutet, dass dringend benötigte finanzielle Mittel für Bildungs- und Forschungsinitiativen, die soziale Mobilität fördern könnten, verloren gehen.

Die Rolle der sozialen Mobilität für den Arbeitsmarkt

Ein zentrales Problem ist die anhaltende Kluft zwischen Akademikern und Nicht-Akademikern. Während etwa 80 Prozent der Kinder aus Akademikerfamilien ein Studium beginnen, sind es bei Kindern aus Nicht-Akademikerfamilien lediglich 25 Prozent. Dieser Mangel an Bildungschancen führt dazu, dass es im Schnitt fünf Generationen dauert, bis Kinder aus einkommensschwachen Familien das durchschnittliche Einkommen erreichen.

Unternehmen spielen hier eine entscheidende Rolle, indem sie Arbeitskulturen und Einstellungsverfahren schaffen, die die soziale Mobilität fördern. Durch die Einstellung von Mitarbeitenden aus verschiedenen sozioökonomischen Hintergründen können Unternehmen nicht nur ihre Innovationskraft stärken, sondern auch ihren Talentpool erheblich erweitern. Goran Barić, Regional Managing Director für Nord- und Zentraleuropa und Geschäftsführer der PageGroup Deutschland, betont: 

Die Fähigkeit, die eigene sozioökonomische Position zu verbessern, ist zentral. Gleiche Chancen in Bildung und Beruf können maßgeblich zum individuellen und gemeinschaftlichen Wohlstand beitragen.

Hier setzen Initiativen wie die Charta der Vielfalt an, die soziale Herkunft als zentrale Dimension von Diversity in der Arbeitswelt hervorhebt. Sie betont, dass Unternehmen gezielt Programme zur Unterstützung von Mitarbeitenden aus sozial schwächeren Verhältnissen aufsetzen können, um Potenziale zu fördern und Barrieren abzubauen. Mentorenprogramme und neue Rekrutierungsansätze, die nicht ausschließlich auf akademische Bildung fokussieren, können hier wertvolle Bausteine sein.

Soziale Mobilität: Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft

Soziale Mobilität ist eng mit Chancengleichheit verbunden – der Vorstellung, dass Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder äußeren Umständen die gleichen Chancen auf Erfolg haben sollten. In Deutschland jedoch ist der sozioökonomische Hintergrund oft ein entscheidender Faktor dafür, welche Möglichkeiten Menschen im Leben haben. Das hat nicht nur Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, sondern auch auf das allgemeine Wohlbefinden und die Gesundheit. Studien zeigen, dass Menschen aus ärmeren Verhältnissen häufiger von gesundheitlichen Problemen betroffen sind, was die Schere der Ungleichheit weiter öffnet.

Ein Blick in die europäische Nachbarschaft verdeutlicht die Relevanz des Themas. So wird etwa in den skandinavischen Ländern deutlich mehr in die Förderung der Chancengleichheit investiert. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) schneidet Deutschland im Vergleich zu diesen Ländern deutlich schlechter ab, wenn es um soziale Aufstiegsmöglichkeiten geht. Das zeigt, dass Deutschland von internationalen Best Practices lernen und die politischen sowie unternehmerischen Maßnahmen zur Förderung der sozialen Mobilität weiter ausbauen muss.

Unternehmen und Bildungsinitiativen können Barrieren abbauen

Wie kann also die soziale Mobilität in Deutschland verbessert werden? Zum einen müssen bereits bestehende Ungleichheiten im Bildungssystem angegangen werden. Die PageGroup engagiert sich beispielsweise seit Jahren im Netzwerk Chancen, das Bildungsprojekte und Schulungsangebote für Kinder aus finanzschwachen und nichtakademischen Familien unterstützt. Solche Initiativen sind unerlässlich, um Barrieren abzubauen und Chancengleichheit zu fördern. 

Unternehmen können durch gezielte Programme zur Förderung von Mitarbeitenden aus unterrepräsentierten Gruppen, wie zum Beispiel Mentoring-Programme oder gezielte Rekrutierungsstrategien, den Status quo verändern. 

„Unternehmen können einen erheblichen Einfluss auf den Wandel ausüben, indem sie sich mit der sozialen Mobilität an ihren eigenen Arbeitsplätzen befassen“, erklärt Nick Kirk, CEO der PageGroup. 

Soziale Mobilität: Wo liegen die Vorteile für Unternehmen?

  • Sozioökonomische Vielfalt bringt Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Erfahrungen und Perspektiven zusammen. Diese Gedankenvielfalt kann eine Kultur der Innovation und der kreativen Lösungen in Organisationen fördern.
  • Wenn sich Menschen mit unterschiedlichem sozioökonomischem Hintergrund in einem Unternehmen wertgeschätzt und respektiert fühlen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie sich für dessen Mission und Ziele engagieren. Durch die Schaffung eines Umfelds, in dem sich alle Mitarbeiter einbezogen und gestärkt fühlen, können Unternehmen die Arbeitsmoral, die Produktivität und die Mitarbeiterbindung steigern.
  • Die sozioökonomische Vielfalt in den Teams hilft den Unternehmen, die Bedürfnisse und Vorlieben der verschiedenen Kundensegmente besser zu verstehen. Mitarbeiter mit unterschiedlichem sozioökonomischem Hintergrund bringen wertvolle Erkenntnisse über Markttrends, Verbraucherverhalten und kulturelle Nuancen mit.

Soziale Mobilität: Welche Maßnahmen können Unternehmen konkret ergreifen?

Unvoreingenommene Stellenbeschreibungen

Stellenbeschreibungen sind oft der erste Berührungspunkt zwischen Kandidaten und einem Unternehmen. Durch eine integrative und zugängliche Sprache wird das Bewerberfeld von Anfang an erweitert. Unternehmen sollten: 

  • Integrative Sprache verwenden: Das heißt, die Sprache sollte leicht verständlich und frei von spezifischem Jargon sein, der nur einer bestimmten Gruppe zugänglich ist.
  • Unnötige Anforderungen vermeiden: Anforderungen, die nicht zwingend für die Position notwendig sind, können qualifizierte Personen aus unterrepräsentierten Gruppen abschrecken. Das Weglassen dieser Anforderungen hilft dabei, eine breitere Bewerberbasis anzusprechen.   

Klare Kommunikation im Einstellungsprozess

Ein transparenter und klar definierter Einstellungsprozess trägt dazu bei, dass Bewerber mit unterschiedlichen Hintergründen sich auf den Prozess vorbereiten können und keine Unsicherheit entsteht. Dazu gehört:

  • Detaillierte Informationen über Anforderungen und Erwartungen: So können Bewerber selbst einschätzen, ob sie zur Stelle passen, und die Bewerbungschancen besser einschätzen.
  • Klare Einstellungsvorgaben und Dresscode: Durch einen klar kommunizierten Dresscode wird beispielsweise verhindert, dass Bewerber in unangenehme Situationen kommen, weil sie sich nicht sicher sind, wie sie sich kleiden sollen. Auch die Überlegung, auf formelle Kleidung zu verzichten, kann sozial benachteiligte Bewerber entlasten.

Flexible Einstellungsverfahren

Flexibilität im Einstellungsprozess ist eine effektive Methode, um sozialer Ungleichheit entgegenzuwirken und den Prozess für alle zugänglich zu machen. Beispiele dafür sind:

  • Alternative Gesprächsformate und Orte: Digitale Vorstellungsgespräche oder alternative Interview-Formate können für Bewerber hilfreich sein, die geografisch oder finanziell eingeschränkt sind.
  • Übernahme von Reisekosten: Wenn persönliche Interviews notwendig sind, können Unternehmen Reisekosten übernehmen, um Bewerbern mit knapperen finanziellen Ressourcen entgegenzukommen.

Feedback-Kultur für abgelehnte Bewerber

Ein wertschätzendes und konstruktives Feedback an abgelehnte Bewerber ist ein wichtiger Schritt, um ihnen die Möglichkeit zur Weiterentwicklung zu geben. Eine Rückmeldung zu Stärken und Schwächen im Gespräch schafft Klarheit und ist gleichzeitig eine wichtige Gelegenheit, die Bewerbererfahrung zu verbessern. Zudem können Unternehmen:

  • Feedback von abgelehnten Bewerbern sammeln: Dadurch lassen sich Schwachstellen im Einstellungsprozess identifizieren, die benachteiligte Gruppen besonders betreffen.

Interne Inspiration durch Vorbilder

Mitarbeiter dazu zu ermutigen, offen über ihren Hintergrund zu sprechen, kann eine inspirierende Wirkung haben und für andere eine motivierende Vorbildfunktion darstellen. Dies lässt sich fördern durch:

  • Erfahrungsberichte von Führungskräften und externen Sprechern: Indem Führungskräfte ihren Werdegang teilen, schaffen sie eine Atmosphäre, die offen für Diversität ist. Externe Redner aus verschiedenen sozioökonomischen Hintergründen können zusätzlich inspirieren und bereichern.

Praktika- und Ausbildungsprogramme

Praktikums- und Ausbildungsprogramme sind eine ausgezeichnete Möglichkeit, sozial benachteiligten Gruppen Zugang zur Berufswelt zu bieten, insbesondere jenen ohne berufliche Netzwerke. Unternehmen können diese Programme speziell so gestalten, dass sie sich auf:

  • Breite Zugänglichkeit fokussieren, beispielsweise durch die direkte Ansprache von Schulen und Organisationen, die benachteiligte Jugendliche unterstützen.

Fazit: Soziale Mobilität ist wirtschaftlich notwendig

Soziale Mobilität zu fördern, ist nicht nur richtig, sondern auch wichtig für die Wirtschaft.  In Zeiten des Fachkräftemangels und einer stagnierenden Wirtschaft ist es relevanter denn je, das volle Potenzial der Bevölkerung zu nutzen. Unternehmen und Politik sind gleichermaßen gefordert, Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit zu ergreifen, um sowohl den gesellschaftlichen Zusammenhalt als auch die wirtschaftliche Stärke Deutschlands zu sichern. Die Studienergebnisse zeigen, dass das nicht nur einen positiven Effekt auf den Einzelnen, sondern auf die gesamte Gesellschaft und die Wirtschaft haben kann.

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