Depressionen, Burnout & Co. sind längst keine Ausnahmeerscheinungen mehr. In Deutschland rückten laut FAZ psychische Erkrankungen im Jahr 2016 mit 17,1 Prozent auf Platz zwei der Gründe für Krankschreibungen vor. Auch die Dauer der Erkrankung nimmt zu: Waren es 2015 noch 35 Tage, dauert ein einzelner Krankheitsfall dieser Art mittlerweile im Schnitt 38 Tage. Die Folge sind Milliardenverluste für die Unternehmen und Karrieren, die auf dem Höhepunkt der Leistungsfähigkeit ein abruptes Ende nehmen und im Sand verlaufen. Was bleibt ist die Frage: Kann man sich selbst schützen? Gibt es einfache Mechanismen, die die psychische Gesundheit stabilisieren? Der britische Think Tank „New Economics Foundation“ hat fünf Strategien für verbesserte Gesundheit und Wohlbefinden identifiziert.

1. Sozialkontakt statt Mail-Kontakt

Soziale Kontakte sind wichtig für unser Wohlbefinden. Egal, ob wir selbst etwas zu geben haben – indem wir ein Projekt leiten, spezielles Wissen einbringen oder einfach nur unseren Beitrag zum Teamerfolg leisten – oder ob man uns mit einem Lob seine Wertschätzung ausdrückt und wir in der nehmenden Rolle sind: Hinterher geht es uns besser. Der Austausch mit anderen Menschen gehört zu unseren fundamentalen Bedürfnissen.

Zu den einfachsten Ansätzen für mehr soziale Kontakte zu Kollegen und Mitmenschen gehört der Verzicht auf unnötige E-Mails. Stehen Sie auf und gehen Sie rüber zum Kollegen. Selbst wenn der Kontakt von Angesicht zu Angesicht nur wenige Momente dauert, erleben Sie dabei den Gesichtsausdruck Ihres Gegenübers. Sie hören den Ton der Stimme und gewinnen dadurch ein tieferes Verständnis der Situation.

E-Mails bringen uns auch deshalb aus dem Gleichgewicht, weil sie unsere Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen und uns von unserer eigentlichen Aufgabe ablenken. Je mehr Mails im Posteingang warten, desto größer der Zeitverlust. Um dem entgegenzuwirken lohnt es sich, das Mailprogramm öfter einmal zu schließen oder nur in bestimmten Zeitabständen zu prüfen.

Und auch die nächste Kaffeepause können Sie nutzen: Fragen Sie den Kollegen, den Sie in der Küche treffen, wie sein Wochenende war und hören Sie ihm wirklich zu. In Fragen des seelischen Wohlbefindens sind es oft Details, die den Unterschied machen.

 2. Kleine Veränderungen, große Wirkung

Ängstlichkeit und Stress sind schwer aus dem Arbeitsleben zu verbannen. Aber es ist auch nicht unmöglich und selbst kleine Schritte sind besser als gar keine. Akzeptieren Sie, dass es Tage gibt, an denen negative Gefühle stärker im Vordergrund stehen und  selbst Kleinigkeiten eine Überforderung darstellen können. Ein wissender, toleranter Umgang mit dieser Tatsache erleichtert den Umgang mit der Angst und mindert die Last.

Eine wirksame Methode zum Stressabbau ist körperliche Betätigung am und außerhalb des Arbeitsplatzes. Bei der Transport- und Pendlerstudie der PageGroup stellte sich heraus, dass der Stresspegel von Radfahrern und Fußgängern auf dem Arbeitsweg europaweit der niedrigste unter den Pendlern ist. Wer stattdessen mit dem eigenen Auto oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, empfindet den Anfahrtsweg als belastender und kommt auch gestresster am Arbeitsplatz an. Leider haben wir nicht immer die Wahl, wie wir zur Arbeit kommen.

Aber warum lassen Sie den Aufzug ins Büro nicht links liegen und nehmen stattdessen die Treppe? Oder nutzen die Mittagspause für einen Spaziergang an der frischen Luft? An der seelischen Gesundheit zu arbeiten heißt nicht, dass man seinen Lebensstil radikal ändern muss. Auch hier sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied machen.  

3. Innehalten und Reflektieren

In einer schnelllebigen Welt ist Hektik der Normalzustand. Manchmal verlieren wir uns dabei selbst aus den Augen. Reflektion und Selbstwahrnehmung dienen dem Verständnis unserer Emotionen und verschaffen uns die nötige Zeit, uns mit ihnen zu beschäftigen.

Der international bekannte Psychologe Daniel Goleman fasst es so zusammen:

„Wenn man sich bewusst ist, wie Gefühle die eigene Argumentation, das eigene Denken und die Art und Weise, wie man mit anderen Menschen interagiert, beeinflussen – dann ist man reflektiert. Dies ist eine Komponente der emotionalen Intelligenz. Wir wissen von Schaltkreisen im Gehirn, die uns unsere mentale Welt bewusstmachen und die sich von den Schaltkreisen, die uns über unsere physische Welt informieren, unterscheiden.“

Nehmen Sie sich also mehr Zeit für Selbstwahrnehmung. Erlauben Sie sich, über Dinge in aller Ruhe nachzudenken und genießen Sie den Moment. Wählen Sie für den Weg zur Arbeit eine andere Route, essen Sie in einem anderen Restaurant zu Mittag. Unsere Welt, in der wir rund um die Uhr vernetzt sind, ist nicht gerade der einfachste Ort zum Leben. Übungen in Achtsamkeit im schnöden Alltag sind eine gute Strategie, um mehr Ruhe, mehr Entspannung und mehr Lebensfreude zu empfinden. Gleichzeitig schärfen wir dabei unser Verständnis für die Menschen in unserem Umfeld und für unsere Arbeitssituation.

4. Lernen zum Stressabbau

Achtsamkeit und der Kontakt zu unseren Kollegen und unserem Umfeld sind wichtig für unsere seelische Gesundheit. Genauso nutzbringend ist auch unsere Fähigkeit, Neues zu lernen. Niemand ist allwissend. Nicht einmal Experten können das von sich behaupten. Wenn wir unsere Zeit dem Lernen widmen, ist das gleichermaßen sinnstiftend wie auch nützlich in Meetings, Diskussionen und im Arbeitsalltag. Susan Wallace, Professorin für Erziehungswissenschaft, schreibt in ihrem Buch „Teaching, Tutoring and Training in the Lifelong Learning Sector“, dass uns lebenslanges Lernen nicht nur persönliche Erfüllung bringt, sondern auch ein äußerst wirksamer Mechanismus zum Stressabbau ist und darüber hinaus das Selbstwertgefühl steigert. Dazu muss man sich nicht etwa für ein Zweitstudium einschreiben oder eine andere Form professioneller Qualifikation anstreben. Es gibt viele Gelegenheiten, etwas Neues zu lernen oder bereits vorhandenes Wissen zu erweitern. Nehmen Sie ein handwerkliches Projekt in Angriff, lernen Sie Kochen, suchen Sie sich ein neues Hobby, reparieren Sie Ihr Fahrrad oder belegen Sie einen Sprachkurs. Alles, was das eigene Repertoire erweitert, ist ein Erfolg und dient letztendlich auch dem Wohlbefinden.

5. Umdenken bei allen Beteiligten

Die mentale Gesundheit bekommt sowohl in der Gesellschaft als auch am Arbeitsplatz zunehmend mehr Beachtung. Daher ist es auch kein Wunder, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit von entsprechenden Maßnahmen bei Angestellten, Managern und Geschäftsführern immer mehr verankert ist.

Die PageGroup in Großbritannien zählt zu den ersten Personalberatungen, die ein Versprechen zur Nichtdiskriminierung von psychischen Erkrankungen unterzeichnet haben. Time to Change ist eine Initiative der Hilfsorganisation Mind and Rethink Mental Illness. Mittlerweile haben sich bereits 450 Unternehmen angeschlossen und kämpfen gemeinsam gegen das Stigma, das mit psychischen Erkrankungen einhergeht. Zu den ersten Ergebnissen gehört die Initiative Ability@Page, die die Wahrnehmung schärfen, Trainingsmethoden entwickeln, Hindernisse abbauen und positive Gespräche über die seelische Gesundheit fördern soll. In der Vergangenheit blieben genau diese Punkte unbeachtet und führten zu einem Abfall der Produktivität und stetig steigenden, krankheitsbedingten Abwesenheitszeiten.

Die Aufmerksamkeit und die Akzeptanz für diese Probleme wachsen. In vielen Unternehmen ist dieser positive Wandel bereits in vollem Gange. Das Resultat zeigt sich in psychisch gesunderen, produktiveren, glücklicheren Belegschaften, die in der Lage sind, mit Stress, Angstgefühlen und Depressionen besser umzugehen. 

Hier erfahren Sie mehr zum Thema Work-Life-Balance und warum Beziehungen am Arbeitsplatz wichtig sind.

 

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